Alain Claude Sulzer: Doppelleben

Doppelleben hat nicht nur doppelte Doppelkonsonanten, es hat auch einen Doppelsinn. Da ist einmal die Bedeutung, die wir ihm im Allgemeinen zulegen, wenn wir von einer Person sagen, sie führe ein Doppelleben. Gegen außen, die Nachbarn und die Chefin, bieder und brav, frequentiert diese Person nachts übelste Kaschemmen oder verzockt ihr Geld online im Kartenspiel….

Otto Weininger: Geschlecht und Charakter

An dieses Buch erinnert hat mich jener Unterhaltungskünstler, der im deutschen Fernsehen in verschiedenen Sendegefäßen einen Literaturkritiker spielt. In dieser Rolle klemmt er auch schon mal ein Buch in eine Astgabel, lässt sich das Gesicht schwarz anmalen oder kann – im ehemaligen Wohnhaus von Arno Schmidt, vor dem Schreibtisch des Autors und dessen Zettelkasten stehend…

Marcel Proust: À la recherche du temps perdu IV. Sodome et Gomorrhe (2) [Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. S. u. G.]

In der zweiten Hälfte von Sodom und Gomorrha (wohl aus buchbinderischen Gründen wurde dieses Buch mitten in Chapitre II (Kapitel II) geteilt, wobei dieses Kapitel sowieso bei weitem das längste des Buchs ist, während zum Beispiel das Schlusskapitel (IV) nur noch eine kurze Coda des Ganzen darstellt, aber als solche einige wichtige Informationen liefert) –…

Marcel Proust: À la recherche du temps perdu III. Le côté de Guermantes (3) [Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Die Welt der Guermantes]

Mathematisch-Mechanisches: Mit dem dritten und letzten Teilband des dritten Buchs (Le côté de Guermantes von À la recherche du temps perdu befinden wir uns ziemlich genau in der Mitte dieses Großromans von Marcel Proust. Anders ausgedrückt: In der Aufteilung meiner Ausgabe (Gallimard, 1949) ist das nun der achte von insgesamt fünfzehn Teilbänden, die den ganzen…

Marcel Proust: À la recherche du temps perdu III. Le côté de Guermantes (2) [Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Die Welt der Guermantes]

Hier nun also der zweite Teil des dritten Buchs der Suche nach der verlorenen Zeit. Die Unterteilung der Welt der Guermantes stammt in dieser Form nicht von mir, sondern vom Verlag Gallimard, der die einzelnen Bücher in der mir vorliegenden Ausgabe 1949 in kleinere Häppchen unterteilt hat – wahrscheinlich, damit die einzelnen Teile leichter zu…

Robert Louis Stevenson: An Inland Voyage [Eine Binnenlandfahrt durch Belgien und Frankreich auch: Das Licht der Flüsse. Eine Sommererzählung]

Dass wir im deutschen Sprachraum den Romancier Stevenson kaum, und den Reiseschriftsteller praktisch gar nicht kennen, während gerade der Reiseschriftsteller Stevenson in seiner Heimat nach wie vor gelesen wird, habe ich vor kurzem erst hier festgehalten. Tatsächlich hat der Schotte seine schriftstellerische Karriere sogar mit einem Reisebericht begonnen – dem nun hier vorzustellenden An Inland…

Roland Barthes: Die Lust am Text

Um Roland Barthes kam man zu meiner Zeit im Studium nicht herum. Genauer: in einem literaturwissenschaftlichen Studium. Die Philosoph:innen und auch die Sprachwissenschaftler:innen konnten mit dem französischen Poststrukturalismus, und somit auch mit Barthes, wenig anfangen. Nach langen Jahren habe ich ihn nun wieder einmal ausgegraben. Noch heute verstehe ich die Faszination, die er auf Literaturwissenschaftler:innen…

Joris-Karl Huysmans: Lourdes. Mystik und Massen

Wenn es einen gibt, der niemals den Wunsch gehabt hat, Lourdes zu sehen, dann bin ich es. Mit diesem Satz beginnt in meiner Ausgabe das erste Kapitel des Berichts über seinen Besuch in Lourdes – denn den Besuch hat Huysmans dann trotzdem gemacht und sogar einen Bericht im Anschluss verfasst. Der Autor gibt gleich nach…

Stephen Crane: Maggie, das Straßenmädchen. Georges Mutter.

Auf Crane wurde ich durch Sandhofers Besprechung aufmerksam und habe die dort besprochenen Erzählungen mit großem Vergnügen und einigem Erstaunen ob der beeindruckenden Fähigkeiten des Autors gelesen. Die beiden hier vorliegenden Erzählungen (Kurzromane) haben einen anderen thematischen Hintergrund, es sind naturalistische Milieustudien und keine Schilderungen abenteuerlich-spannender Ereignisse. Naturalistische Literatur ist ein zweischneidiges Schwert: Der klassische…

Joris-Karl Huysmans: Die Schule der Satanisten [a.k.a.: Tief unten / OT: Là-bas]

Darstellungen des Bösen, ja verehrende Darstellungen des Bösen, kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor allem in der französischen Literatur, beim Übergang vom Naturalismus zum Symbolismus, in Mode. Bekanntestes Beispiel ist Baudelaire mit seinen Fleurs du mal (1857), auch Lautréamonts Les chants de Maldoror (1874) dürfen nicht vergessen werden. Beide könnte Joris-Karl Huysmans…