Wer im Internet nach der Auswahl aus des Teufels Papieren sucht, dem werden zunächst und vor allem jede Menge Seiten angezeigt, die das Buch verkaufen bzw. den Text zum Download anbieten. Einige dieser Seiten habe ich im Verdacht, dass sie zwar das Buch gegenüber der Suchmaschine ausweisen; wenn man aber auf den Link klinkt, wird man erkennen, dass das nur ein Köder war, mit dem man Leute auf die eigene Seite bringen wollte – in der Hoffnung wohl, dass diese, da sie ja das eigentlich Gesuchte dort nicht finden, dafür auf der Seite nach anderem suchen. (Ich für meinen Teil führe eine Liste solcher Adressen, die ich schon gar nicht mehr anklicke.) Man findet also den Text, aber Besprechungen oder Vorstellungen der Auswahl aus des Teufels Papieren findet man kaum. Ich habe selber gerade mal eine gefunden, nämlich einen Forenbeitrag von User Diaz Grey im Klassikerforum, ein Beitrag, der mich tatsächlich daran erinnert hat, dass wir hier noch einen weiteren literarischen Teufel haben, den ich noch nicht vorgestellt habe. Das wird hiermit nachgeholt – und damit soll es denn auch sein Bewenden haben mit der kleinen Serie literarischer (und anderer) Teufelsfiguren, die ich vor etwas mehr als zwei Jahren begonnen habe. Was nicht heißt, dass mir nicht noch der eine oder andere Teufel in anderem Zusammenhang aufstoßen könnte.
Nach obigem wird klar, dass man wohl die Auswahl aus des Teufels Papieren einen der bekanntesten aller unbekannten Texte der deutschen, vielleicht gar der Weltliteratur nennen könnte. Wer sich schon mit Jean Paul beschäftigt hat, hat den Titel sicher gehört – und sei es nur, weil der Armenadvokat Siebenkäs in dem seiner Figur gewidmeten Roman ebenfalls an einem Werk mit diesem Namen gearbeitet hat. Aber selbst Wikipedia listet die Auswahl aus des Teufels Papieren zwar unter den Werken Jean Pauls – hat aber keinen eigenen Artikel dazu, wie es sonst mit allen andern Werken der Fall ist. (Mit Ausnahme der Grönländischen Papiere, die auch tatsächlich der Auswahl aus des Teufels Papieren den Rang als unbekanntestes der bekannten Werke Jean Pauls streitig machen können.)
Es handelt sich hier um ein Jugendwerk Johann Paul Richters. Tatsächlich stammt es aus einer Zeit, als er noch unter dem Pseudonym Hasus veröffentlichte. Eine eigentliche Struktur finden wir nicht, außer dass das Buch drei Teile hat – drei Begegnungen mit dem Leser. Ansonsten finden wir mehr oder weniger erzählerische Passagen neben Aphorismen oder einfach so eingefügten Exkursen zu diesem oder jenem. Schon der junge Richter weist eine erstaunliche Breite und Vielfalt an Lektüre auf, deren Kenntnis er auch immer wieder aufblitzen lässt. Irgendwo zwischen Aufklärung und Empfindsamkeit hängend (ähnlich wie Matthias Claudius, aber im Gegensatz zu ihm zumindest gegenüber dem Publikum nicht einem christlichen Glauben verpflichtet), versucht er sich in einer Generalsatire zu fast allem und jedem.
Seine Lieblingsziele sind dabei die Aristokraten mit ihrer Verachtung und Missachtung des kleinen Mannes, die Ärzte und die zeitgenössische Medizin, die Nachdrucker und die Literaturkritik der Zeit. Bei der Literaturkritik greift er vor allem Nicolai und seine Berliner Monatsschrift, die Allgemeine Deutsche Bibliothek, an. Auch die Stadt Wien und seine Bewohner scheinen es ihm angetan zu haben. Das ist teilweise erklärbar durch den Umstand, dass damals Wien eine Hochburg der Nachdrucker war, vom Staat gefördeter Nachdrucker nota bene. Aber auch sonst dient ihm der Wiener immer wieder als Paradebeispiel eines Menschen mit einem langsamen, wenn nicht fehlenden Verstand. Dann sind auch die Frauen häufiges Ziel seiner Satire. In einem längeren Abschnitt schildert der Ich-Erzähler Hasus, wie er sich aus einer Heiligenfigur, die nach einem Kirchenumbau übrig geblieben war und dem Kopf, den eine Hutmacherin verwendet hatte, um ihre Hüte darauf zu drapieren, sowie weiteren Utensilien eine Gattin zimmert, die er regelmäßig im Fenster seines Wohnzimmers zur Schau stellt. Die Misogynie, die in diesen Satiren durchschimmert, macht diese allerdings noch bemühter, als sie in den übrigen Teilen der Auswahl aus des Teufels Papieren schon ist. Hier schreibt ein junger Mann, der noch zu wenig eigene Erfahrungen hat und deshalb verzweifelt seine Vorbilder (er nennt explizit Swift und Sterne) nachahmt. Den spezifisch Jean Paul’schen Ton hatte dieser Hasus noch nicht gefunden.
Und der Teufel? Ja, auch der kommt vor. Es sind zwar nicht eigentlich seine eigenen Papiere, die wir zu lesen bekommen, sondern meist die des Hasus. Aber er hat sie ihm gewidmet und es gibt auch eine Passage, in der Hasus ein Treffen mit eben diesem Teufel schildert. Der sieht zunächst genau so aus, wie man ihn sich so landläufig vorstellt: pechschwarz, mit Pferdefuß und Schwanz. Doch im Lauf des Geprächst zieht dieser Teufel zuerst den Pferdefuß aus, dann seine schwarze Haut und auch seinen Schwanz. Was zum Vorschein kommt, ist ein geleckter Höfling, wie er im Buche steht. Hasus gesteht denn auch dem Leser, dass ihm der Teufel in seiner Verkleidung fast besser gefallen hat. Dennoch nimmt er des Teufels Kleidung an sich, zum Beispiel um aus dem Schwanz eine Peitsche zu machen. Keine Peitsche für Pferde, sondern eine satirische Peitsche. Da blickt für einen Moment sehr viel Selbstüberhebung des jungen Richter durch – denn teuflisch-satirisch ist diese Auswahl aus des Teufels Papieren in keinem Moment.
Fazit: Wir finden bereits in dieser Jugendschrift viel vom späteren Jean Paul: den immensen Bestand an Lektüre, den er verschlungen hat und wiederkäut und die mäandrierende Schreibweise, die vom Zweiten aufs Dritte aufs Vierte und zurück zum Zweiten kommt – noch nicht aber die Mischung von Sentimentalität und satirischem Zynismus (oder gar der Verzweiflung einer Rede des verstorbenen Christus). Motivgeschichtlich ist für den Jean Paul-Spezialisten oder die Spezialistin sicher einiges zu finden. Für welche, die lesen, weil’s Spaß machen soll, würde ich den Text nur bedingt empfehlen.