Zu den Hinterlassenen Schriften von Margareta Klopstock bin ich ein bisschen gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Im Zusammenhang mit der Lektüre von Kai Kauffmanns Biografie ihres Mannes war mir klar, dass ich dessen Messias wieder lesen würde und auch Die deutsche Gelehrtenrepublik. Ebenfalls klar war mir, dass ich dieses Mal eine vollständige Ausgabe der Gelehrtenrepublik lese wollte, nicht die gekürzte, wie sie meine ansonsten durchaus genügende Auswahlausgabe von Karl August Schleiden vorzuweisen hatte. Trotz der Tatsache, dass Kauffmann auch Metas literarische Werke erwähnte, hatte ich aber nicht die Absicht, diese zu lesen. Im Internet suchte und fand ich rasch bei einem Antiquariat einen Einzelband aus den Sämmtlichen Werken, wie sie noch von Klopstock selber zusammen gestellt worden waren, der die Gelehrtenrepublik enthielt – allerdings stammt der Band aus der zweiten Auflage, die unter anderem auch die originale Orthographie normalisiert hatte, was mich für meine Zwecke aber nicht weiter störte. Als ich dann nach Erhalt des Bändchens darin blätterte, fand ich zu meinem Erstaunen (so genau hatte ich die Ausschreibung des Antiquars wohl nicht gelesen) auch die vom Gatten nach ihrem Tod herausgegebenen Hinterlassenen Schriften Metas darin. (Bei Lichte betrachtet, handelt es sich bei meinem Bändchen um eine – wohl private – Zusammenbindung von drei Bänden der originalen Werkausgabe; davon war nun Band 9 eben dieser Meta gewidmet, enthielt aber auch noch vermischte Schriften Friedrich Gottliebs, die nirgendwo anders Platz gefunden hatten. Will sagen: Von den insgesamt 240 Seiten im Format A 5 des 9. Bands sind rund 100 Meta vorbehalten. Ein nicht gerade grosses literarisches Werk also, das sie hinterlassen hat.)
Nächste Überraschung: Die ersten fast 70 Seiten stammen gar nicht von Meta, sondern stellen eine Art Trauerrede Klopstocks dar, der dann noch etliche Kondolenzbriefe aus dem Freundeskreis folgen, in der die Verstorbene (wie es nicht anders sein kann) in den höchsten Tönen gelobt wird. Nehmen wir noch den Briefwechsel hinzu, der zwischen Meta (die in Hamburg ihre Niederkunft erwartete) und Friedrich Gottlieb (der gezwungen war, bei seinem Gönner in Kopenhagen auszuharren) stattfand, so bleibt wenig Literarisches. Der Briefwechsel zwischen Meta und ihrem Mann zwar ist sehr berührend im Schwanken der beiden zwischen Angst und Hoffnung (eine Geburt war damals nicht ungefährlich für Mutter und Kind – tatsächlich sollte Metas Kind tot zur Welt kommen und sie selber auch sterben), sehr berührend auch im doch recht kindlichen Glauben an und Vertrauen auf Gott.
Diese Haltung zeigen auch die Briefe von Verstorbenen an Lebendige, der ersten literarische Text Metas in dieser Ausgabe. Die Briefe sind fiktiv und es schreiben darin verschiedene Typen von Verstorbenen (Fromme, Freigeister, Wüstlinge) an ebenso verschiedene Typen von noch Lebenden, um sie in ihrem Lebenswandel zu bestärken, wenn die Empfänger Fromme sind, sie zu einer Änderung des Lebenswandels zu veranlassen, wenn es sich um Wüstlinge handelt. Leider fehlt es Meta Klopstock an literarischer Gestaltungskraft, um uns die himmlischen Gefilde glaubhaft und interessant schildern zu können.
Der Tod Abels. Ein Trauerspiel ist Fragment geblieben. Wahrscheinlich entstand es als Seitenstück zu des Gatten Der Tod Adams (ja, ich habe Friedrich Gottlieb Klopstocks Dramen einmal gelesen; nein, ich werde sie nicht wieder lesen). Die Empfindsamkeit liebte solche Themen. Allerdings ist Meta Klopstocks Drama im Grunde genommen einfach eine Dialogisierung der Erzählung aus dem Buch Genesis. Es wird – vor allem auf Seiten Adams und Evas – geredet und lamentiert, und auch Kain tut sich vor allem selber leid. Selbst dem Idylliker Gessner (noch ein Empfindsamer) ist die Darstellung des Todes Abels in seinem ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen und gleichnamigen Drama besser gelungen – dies vor allem, weil er in der Figur eines Teufels eine zwar biblisch nicht gesicherte Gestalt eingeführt hatte. Es war ein kleiner unbedeutender Teufel nur, der sich vor allem dadurch auszeichnete, dass er eifersüchtig war auf das Werk des großen Satan, und der auch bei Gessner unfertig blieb, weil auch der Schweizer vor der Gefahr zurück schreckte, der John Milton erlegen war: nämlich einen Teufel zu zeichnen, der so großartig ist, dass er den lieben Gott, sämtliche Erzengel, Jesus inklusive, in den Schatten stellt. (Was dazu führte, dass Miltons Epos Weltliteratur wurde und die Dramen von Gessner und den beiden Klopstock – der Vergessenheit anheim fielen.)
Zwei göttliche Gesänge zeigen Meta Klopstock als Lyrikerin. Wer die beiden Gesänge nicht kennt hat – nichts verpasst.
Fragment eines Gesprächs stellt eine Art Miniatur-Poetologie dar, die die Motive der literarisch Schreibenden zu analysieren sucht. Viel zu kurz, um wirklich sinnvoll gelesen werden zu können.
Ein Brief über die Moden ist meines Wissens die einzige literarische Produktion Metas, die bereits (im Nordischen Aufseher, 1. Band, 45. Stück) zu ihren Lebzeiten veröffentlicht wurde. Friedrich Gottlieb hat diesen Essay seltsamerweise nicht in die Sammlung ihrer Hinterlassenen Schriften aufgenommen, erst für diese Werkausgabe wurde er hinzu gefügt. Es handelt sich hier um eine sehr ausführliche und manchmal sogar bissige Kritik der Moden auf verschiedenen Gebieten menschlichen Wirkens. Allerdings macht sich der protestantisch-pietistische Ernst darin sehr bemerkbar, der ja schon früh dazu führte, dass nach der Reformation alle Bilder aus den protestantischen Kirchen entfernt wurden. Dennoch das beste Stück der Hinterlassenen Schriften.
Alles in allem aber lässt sich sagen, dass man die hier versammelten Werke Margareta Klopstocks nicht gelesen haben muss. Mit ihren Briefen soll es anders sein. (Unterm Schreiben dieses klingelt die Postbotin und drückt mir ein Paket – posttechnisch gesehen: einen Brief – in die Hand mit der bestellten Briefausgabe.)