Peter Altenberg: Neues Altes [Auswahl!]

Auf fast weißem Hintergrund steht links von unten nach oben durchs Bild laufend das dunkelviolett gedruckte Wortfragment "CHERGILDE" in Majuskeln. In der Mitte des Bildes ein großes "E" in einer Art geschwungener Schreibschrift, darunter sind noch kleine Teile von weiteren solchen Buchstaben erkennbar. Durch das "E" geht ein in Punkten dargestellter Umriss-Teil eines Ovals. – Ausschnitt aus dem Buchcover.

Richard Engländer, der sich als Autor „Peter Altenberg“ nannte, war um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine der schillerndsten Gestalten der Wiener Caféhaus-Szene. Doch was zu Lebzeiten (auch) ein nicht schlecht funktionierendes Marketing-Instrument gewesen sein muss, wendete sich später wie ein Bumerang gegen Altenberg. Ähnlich wie bei Anton Kuh überwucherten die Anekdoten zum Menschen das Andenken an seine Werke. (Ob sich die beiden kennen gelernt haben, weiß ich nicht einmal – möglich wäre es gewesen.) Es gibt allerdings auch gravierende Unterschiede zwischen den beiden: Nicht nur war Kuh eher ‚Sprechsteller‘ denn Schriftsteller, auch lebte er in Bezug auf den Alkoholkonsum wohl etwas zurückhaltender als Altenberg, dessen übermäßiges Trinken bei ihm schwere physische wie psychische Schäden hinterließ. Last but not least wurde Altenberg von Karl Kraus unterstützt, während Kuh einer von Kraus’ bêtes noires war.

Vor mir liegt ein dieses Jahr (2024) parallel von Wallstein und der Büchergilde in der Reihe Typographische Bibliothek herausgegebenes Buch. Nun bin ich natürlich selber schuld, wenn ich so etwas kaufe; typographische Spielereien sind nicht so mein Ding. Und so kann ich auch hier mit den zwischen die einzelnen Texte Altenbergs gesetzten Spielen mit den Buchstaben der Titel der einzelnen Texte wenig anfangen. Allerdings war ich bereit, das in Kauf zu nehmen, wenn … ja: wenn.

Wenn nämlich vorliegendes Buch alles von Altenberg in Neues Altes Versammelte brächte. Das tut es aber nicht. Es sind sogar nur wenige Texte vorhanden. Im gut versteckten Impressum findet man zwar alle Angaben zu Papier, Schrifttype, Korrektorat, Satz und Drucker – aber keine dazu, nach welchen Kriterien wer die Auswahl getroffen hätte.

Das ist schade, denn Altenbergs Neues Altes (1911 erstmals erschienen) wäre es wert gewesen, vollständig wieder abgedruckt zu werden. Seine impressionistisch zwischen Essay und Aphorismus schillernden Vignetten vermitteln eine ganz eigene Stimmung, die so gar nichts mit der lebhaften Caféhaus-Atmosphäre zu tun haben, mit denen man den Autor heute verbindet. Nicht von ungefähr war der Däne Jens Peter Jacobsen eines seiner Idole.

Fazit: Für an künstlerischer oder kunstgewerblicher Typographie Interessierte ist dieses Buch wohl ein Muss – für welche, die an Literatur interessiert sind, ist es ein Ärgernis. Daran ändert das Nachwort von Alfred Polgar auch nichts. Im Gegenteil: Wie schon dessen Titel (Wirkung der Persönlichkeit) zeigt, legt auch Polgar den Schwerpunkt aufs Persönlich-Anekdotische und verstärkt das literarische Ärgernis eigentlich nur. Auf den davon in Anspruch genommenen Seiten hätte ich lieber mehr aus Neues Altes gefunden. Wie gesagt: Ich bin selber schuld …

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