Ob ich demnächst auch Kochbücher rezensieren würde, hat mich ein treuer Leser anlässlich meiner Bemerkungen zu Hardy Amies‘ Kleinem Buch der Herrenmode gefragt. Wenn es sich machen lässt, erfülle ich natürlich gerne Leserwünsche 😀 . (Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass ich hier bereits einmal mit Gregor Schaefers Käse & Wein ein Buch mit Kochrezepten besprochen habe, und dass in Brillat-Savarins Physiologie des Geschmacks sich auch Kochrezepte finden.)
Auf dem vorderen Buchdeckel findet sich zusätzlich zum komplizierten Titel noch eine Vignette mit dem Text: Lieben Gruß aus Wien von Frau Ziii. Als Frau Ziii nämlich, unter der Adresse ziiikocht, betreibt Susanne Zimmel ein sog. Food-Blog (zu deutsch in etwa: Futter-Internet-Tagebuch), auf dem sie tut, was sie auch in ihrem Buch tut: Rezepte vorstellen, (meist persönliche) Anekdötchen schreiben. Meines Wissens gab es ja ihr Futter-Internet-Tagebuch vor dem physischen Buch.
Zugegeben: Ich habe dieses Kochbuch nicht (nur) wegen seiner Rezepte gekauft. Eigentlich am wenigsten deswegen – ich kann nicht nach Rezept kochen. Verleitet hat mich vielmehr ein Satz auf dem Rückendeckel:
Ganz nebenbei erklärt Frau Ziii, warum die Essiggurke in Wien Krokodü heißt, erzählt von Begegnungen auf dem Naschmarkt und der Marillenernte in der Wachau und lässt mit eindrucksvollen Bildern Wien und seine Umgebung mit allen Sinnen spürbar werden.
Man soll einen Autor nicht für den Klappentext seines Buchs verantwortlich machen. Ich habe mir ob dieses Textes wohl zu viel erhofft. Nämlich mehr kulturgeschichtliche Erläuterungen. Wenn Richard Katz in seiner Autobiografie Gruß aus der Hängematte so ganz nebenbei schon erläutert, dass die Prager Küche seiner Kindheit in hohem Masse tschechische und nicht deutsche Küche gewesen sei, so gilt das für die Wiener Küche wohl noch in viel höherem Mass. Von ungarischen und südslawischen Einflüssen ganz zu schweigen. Davon hatte ich mir mehr erwartet, davon fand ich leider zu wenig.
Nervenaufreibend fand ich auch die Tatsache, dass Frau Zimmel, obwohl nach eigenen Geständnis keine geborene Wienerin, es nicht lassen kann, bei jedem möglichen und unmöglichen Substantiv die Wiener Diminutiv-Formel ‚-erl‘ anzuhängen. (Mag sein, dass die auch ausserhalb Wiens sehr verbreitet ist, ausserhalb Österrreichs aber kaum.) Dass soll wohl lokales Wiener Flair verbreiten, ärgert mich persönlich aber nur. Es ist schon schlimm genug, dass ein Nicht-Wiener ständig über Paradeiser, Fisolen und Ähnliches stolpert – dafür gibt es immerhin am Ende des Buchs ein Register mit Übersetzungen.
Bei den Rezepten fehlten mir welche zu Dingen, die ich damals, als ich für eine Zeit in Wien studierte (lang, lang ist’s her), als ‚typisch wienerisch‘ empfunden habe (die es vielleicht gar nicht waren, sondern ihr Fehlen in der Heimat typisch schweizerisch); Dinge, die ich damals in jeder Fleischhauerei, ja im Supermarkt, gefunden habe; Dinge wie Hirn oder Lunge. Das wird heute entweder nicht mehr in der Wiener Küche verwendet, oder Frau Zimmel schreckt vor allzu Extremem zurück.
Sehr gelungen sind dagegen die Fotografien, mit denen dieses Kochbuch reichlich ausgestattet ist. Damit meine ich allerdings weniger die von Wien selber – davon hat es für meinen Geschmack wieder zu wenige. Die sind zwar gut, aber nicht herausragend. Wirklich herausragend sind aber die Bilder, die Frau Zimmel von ihrem Essen gemacht hat. Jeder, der einen Facebook-Account hat, wird mir beistimmen, wie schlecht und lieblos Nicht-Profis ihr Essen normalerweise fotografieren (und wie stolz sie trotzdem auf ihre Handy-Bildchen sind!). Über die Qualität von Frau Ziiis Rezepten kann ich nichts sagen. Sie scheinen mir – wenn auch nicht alle ganz ohne Probleme (sprich: Aufwand!) – durchaus nachkochbar zu sein. Ich werde das Buch jetzt in die Küche zu meinem andern Kochbuch stellen. Vielleicht schaue ich ja mal hinein, wenn ich eine Anregung suche.
Also mit „Paradeiser“ musst du in Österreich wirklich leben: Das Wort Tomaten verstehe ich zwar, dürfte ich aber noch nie selbst verwendet haben. Kurios dagegen „Fisolen“: Das ist keinesfalls typisch österreichisch (ich hätte bis zu meinem 20. Lebensjahr wohl kaum sagen können, um welche Art Gemüse es sich dabei handelt): Es sind „Bohnscharl“. (Auch Fisolen gehört nur zu meinem passiven Sprachschatz.)
Ja? Über die Fisolen bin ich damals in Wien schon gestolpert. Einiges lernt man ja mit der Zeit. Aber die ständigen Diminutive ärgern halt schon…
Ich kenne Frau Zimmels Buch nicht: Aber Diminutive kommen schon häufig vor. Sind vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass alles nicht so ernst genommen werden soll. (Is ois a Zwergalschas … – selbst Figuren von bescheidenem Ausmaß werden häufig noch der Verkleinerung unterworfen.) – Wie nennt man „Bohnscharl“ ist der Schweiz?
Das sind, ganz einfach, „(grüne) Bohnen“.