Das 17. Jahrhundert war die Zeit, als sich (abermals) eine deutschsprachige Literatur zu formen begann. Dafür waren zwei Dinge / Ereignisse vonnöten. Zum einen musste eine gemeinsame sprachliche Grundlage gelegt sein, zum andern musste sich die Dichtkunst vom Odium befreien, einfach nur Lügengeschichten zu erzählen (was über Jahrhunderte der Vorwurf nicht nur der katholischen Kirche…
Kategorie: Lit(t)eratur
Unsere Lektüre. Kann Spuren von Literaturwissenschaft enthalten
Paul Ernst: Erdachte Gespräche
Für einmal habe ich wieder in meiner Kiste der Curiosa gewühlt und bin dabei auf dieses schmale Büchlein gestoßen. Dabei war Carl Friedrich Paul Ernst (1866-1933) zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein in der Literatur zwar nicht berühmter, aber doch bekannter Mann. Der Sohn eines Grubenaufsehers konnte Theologie, Philosophie, Literatur und Geschichte studieren und promovierte…
Erich Fried: an dich denken
Mit dieser Auswahl von Liebesgedichten hat die Büchergilde dieses Jahr (2021) einem weiteren der großen deutschen Lyriker:innen einen Band gewidmet: Erich Fried. Helmut Heißenbüttel soll Frieds Werk zum Dauerhaftesten […], was diese Zeit hervorgebracht hat gezählt haben. Und er hat damit durchaus Recht. Frieds Gedichte lesen sich völlig unprätentiös. Oft finden wir spielerische Verformungen der…
Markus Bundi: Die letzte Kolonie
Markus Bundi ist Lehrer für Philosophie an der Alten Kantonsschule in Aarau, jener Schule also, die auch von Albert Einstein besucht wurde, von Hermann Burger oder auch vom vor allem in der Schweiz bekannten Autor und Liedermacher Franz Hohler. (Ein anderer Schweizer Liedermacher, der Berner Troubadour Mani Matter, ist übrigens im vorliegenden Roman prominent vertreten,…
August Klingemann: Faust
Er habe, sagt Klingemann selber in seiner Vorerinnerung (also dem Vorwort), einen ächt dramatischen Faust [Hervorhebung von Klingemann] für die Bühne schreiben wollen, weil seit Lessing der Faust-Stoff zu sehr ins Philosophische gezogen worden sei, und Goethes Faust zwar herrlich, aber nur in Momenten dramatisch sei. Es sei nämlich so, dass die mystischen Beziehungen bei…
Hanspeter Müller-Drossaart: steile flügel
Ein wenig habe ich mich in diese Gedichte verliebt. Ein wenig sehr sogar. Denn dem Autor Hanspeter Müller-Drossaart gelingt hier beinahe so etwas wie die Quadratur des Kreises. Mit wenigen Worten schildert er eine Stimmung, eine Haltung oder eine Handlung. Kein Wort ist zu viel, Rhythmus und Reihenfolge stimmen. Peter von Matt wird im Klappentext…
Barthold Heinrich Brockes: Irdisches Vergnügen in Gott. Siebenter und Achter Teil. (= Werke, Band 5)
Nach beinahe fünf Jahren Pause erschien nun dieses Jahr endlich der nächste, der fünfte Band der kritischen Ausgabe der Werke des Hamburger Senators Barthold Heinrich Brockes. Eine Erklärung für die lange Pause wird nirgends gegeben; rein inhaltlich will mir nicht scheinen, dass eine kritische Edition der Teile 7 und 8 des Irdischen Vergnügens in Gott…
Marcel Proust: Der geheimnisvolle Briefschreiber [Le Mystérieux Correspondant et autres nouvelles inédites.]
Irgendwo, ich weiß nicht mehr, ob in einer Rezension oder in der Verlagswerbung, habe ich in Bezug auf die Texte dieses schmalen Büchleins von einer Sensation gelesen: wiederentdeckte frühe Texte von Marcel Proust! Tatsächlich scheinen diese Erzählungen aber – wenn ich die Einleitung des Herausgebers Luc Fraisse richtig verstehe – zumindest einer Person schon seit…
Wilhelm Raabe: Der Hungerpastor
Der vorliegende Roman zählt zu den Werken der Stuttgarter Zeit Raabes (neben „Abu Telfan“ und „Der Schüdderump“) und wurde von der Kritik eher kühl aufgenommen. Und während mir das zu Beginn als ein zu hartes Verdikt erscheinen wollte (denn ich liebe den auktorialen Erzählstil, den der Autor hier anfangs mit sehr viel Feingefühl und dem…
Jacques Cazotte: Der verliebte Teufel
Auch Jacques Cazotte gehört zur Zahl der Autoren (Frauen findet man keine in der Bibliothek von Babel), deren Name durch Jorge Luis Borges ein wenig weiter bekannt geblieben oder geworden ist – so, dass ihn nicht nur ein paar Eingeweihte kennen (können), sondern alle an phantastischer Literatur Interessierte. Das lohnt sich durchaus. Der Franzose aus…