Juvenal: Satiren

Braunes Muster auf grauem Hintergrund, an ein Mäander-Fries erinnernd, nur dass hier viele Friese übereinander gestellt sind - im vorliegenden Ausschnitt aus dem Buchcover sieht man aber nur deren zwei.

Difficile est satiram non scribere

panem et circenses

mens sana in corpore sano

rara avis

Sed quis custodiet ipsos custodes?

Probitas laudatur et alget

Das sind alles Zitate aus Juvenals Satiren, die noch heute verwendet werden, oft ohne sich des Urhebers zu erinnern.

Über den Autor wissen wir nicht viel mehr als über Persius. Eine Biografie, die sich später oft den Abschriften seiner Satiren vorgestellt findet, ist nicht viel mehr als eine Extrapolation dessen, was sich mit ein wenig Phantasie aus den Satiren selber erschließen lässt, nämlich – vor allem aus den von ihm genannten Politikern und Kaisern –, dass er in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung gelebt haben muss und im ersten Viertel des zweiten Jahrhunderts. Er hat offenbar erst spät in seinem Leben mit dem Schreiben von Satiren begonnen; Martial nennt ihn zwar, weiß aber noch nichts von den Satiren. Dass er von einem Kaiser (Trajan oder Domitian?) verbannt worden sei und man seine Güter eingezogen habe, ist eine weit verbreitete Vermutung der Forschung. Sie basiert vorwiegend darauf, dass er in seinen Satiren gut bekannt zu sein scheint mit den Sorgen und Nöten jener Römer, die gezwungen sind, sich als Klienten der Reichen durchzuschlagen. Da wir ihn in seinen (späteren?) Satiren wieder in Rom finden, muss er (von Nerva?) wieder begnadigt worden sein. Wir finden seinen Namen aber auf keiner offiziellen Liste. Wohin er verbannt wurde, ist ebenfalls Teil eines Disputs: Eine Mehrheit der Forschenden plädiert für Ägypten, eine Minderheit bringt Schottland ins Spiel. Beide Meinungen werden damit belegt, dass Juvenal in seinen Satiren Kenntnisse der Verhältnisse in Ägypten bzw. in Britannien vorweist. Alle diese Beweise implizieren, dass sich ein Mensch nur vorstellen bzw. nur darstellen kann, was er selber erlebt hat. Dass man auf Grund von Erzählungen Dritter und eigener Vorstellungskraft ebenso ‚wahrhafte‘ Schilderungen liefern kann, scheint man in der Forschung nicht in Betracht zu ziehen.

Von Juvenal ist ein bisschen mehr überliefert als von Persius, insgesamt 16 Satiren nämlich (mindestens eine davon allerdings nur fragmentarisch), die auch allesamt länger sind, als was seine Vorbilder Persius und Horaz geliefert haben. Anders, als es bei den beiden anderen Brauch ist, nennt Juvenal auch Namen. Abermals anders als Persius (der offenbar einen gewissen inneren Halt an der Stoa fand) oder Horaz (der nichts, auch nicht sich selber, so ganz ernst zu nehmen scheint), ist Juvenal der Pessimist der römischen Satiriker. Mit seiner Idealisierung des alten, republikanischen Rom hat er zwar noch einen Referenzpunkt, aber der ist unerreichbar geworden*). Dennoch (oder deswegen?) haben sich aus Juvenals Satiren so manche redensartlich oder gar sprichwörtlich geworden – weit über das Römische Reich hinaus, weit über die Zeit hinaus gar, als man in Europa noch Latein sprach oder zumindest in den einigermaßen gebildeten Kreisen noch verstand. Ein paar davon habe ich zur Einführung dieses Aperçu hingestellt.

Spreche ich eine Leseempfehlung aus? Unbedingt! Vor allem, weil heute wieder einmal eine ähnliche Politik-Verdrossenheit regiert wie zu Juvenals Zeiten. (Der, das konnte er selber nicht sehen, tatsächlich in einer relativ friedlichen Zeit lebte, wenn man Roms Vergangenheit und seine Zukunft betrachtet. Man möge die Schlussfolgerungen daraus selber ziehen …)


*) Diese Idealisierung führt bei Juvenal dann auch schon mal dazu, dass er historische Verhältnisse falsch wiedergibt, vielleicht selber falsch gehört oder gelernt hat: Dass nämlich, wie Juvenal in der 10. Satire meint, die breite Masse Roms erst in der Kaiserzeit ständig nach „Brot und Spielen“ verlangte, weil man sie von der Politik ausgeschlossen hatte, stimmt so nicht. Schon gegen Ende der Republik waren „Brot und Spiele“ – vor allem Spiele! – ein beliebtes Mittel der Bewerber um ein Amt, die Bevölkerung bei der Stimmabgabe dahin zu bringen, dass sie … sagen wir … an den Kandidaten erinnerten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert