Blaise Cendrars: Brasilien

Ausschnitt aus einer alten schwarz-weißen Luftfotografie des Amazonas-Deltas, die für das Buchcover verwendet wurde.

Blaise Cendrars hat Brasilien mehr als einmal bereist, das erste Mal so früh wie 1924-1928 (wo er als Star der modernen französischen Literatur herumgereicht wurde), das letzte Mal Mitte der 1950er. Das Land faszinierte ihn und er hat mehr als einmal darüber geschrieben. Der vor mir liegende Band versammelt einige kürzere Texte und Gedichte von diesen Reisen. Dennoch handelt es sich hier nur ansatzweise um Reiseberichte. Im Grunde genommen können diese kurzen Texte kaum literarisch klassifiziert werden – was auch nie in Cendrars’ Absicht stand.

Impressionistische Abschnitte wechseln ab mit journalistischen Nachrichten über einzelne Phänomene, mit Statistiken und langen Zitaten aus historischen Berichten. Wir spüren, wie Cendrars versuchte, dieses riesige Land zu erfassen und nur schon an dessen schierer Größe, dessen ungeheurer Diversität, scheiterte. Da waren die Großstädte, allen voran São Paulo, das New York Brasiliens. Da war das Landesinnere, entweder staubtrockene Wüste, wilder Urwald oder riesige Monokultur (Kaffee!). Da waren die Menschen – ebenso unterschiedlich in Hautfarbe oder Herkunft wie die Region, in der sie anzutreffen waren. Da waren die Religionen, der strenge Katholizismus, der friedlich koexistierte mit den neu-ethnischen Religionen der ehemaligen Sklaven, Macumba oder Candomblé. Da war der tropische und subtropische Norden und der gemäßigte Süden. Da waren die Gold- und Silbersucher, die Edelsteinsucher. Und da war die riesige Industrie um diese herum, die schon in den 1950ern jedwede Romantik (die es, wie Cendrars ganz klar gesehen hat, sowieso nie gegeben hat) verdrängte.

Ein Buch, das man lesen muss und nicht beschreiben kann. Jedenfalls ich kann es nicht. Nur eines: Es ist ganz sicher kein Roman, wie es die Verlagswerbung noch 2008 wollte …


Blaise Cendrars: Brasilien. Eine Begegnung. Aus dem Französischen von Giò Waeckerlin Induni. Mit Fotos von Jean Manzon. Basel: Lenos, 1988. [Das Buch erschien zuletzt noch 2008 im selben Verlag, ist aber unterdessen wohl definitiv vergriffen. In meiner Ausgabe klebt noch ein kleiner Zettel mit Namen und Adresse jener Buchhandlung in Rio de Janeiro, wo es seinerzeit gekauft wurde.]

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