Ingeborg Bachmann: Malina

Dunkelblaue Schrift auf hellblauem Hintergrund, auf drei Zeilen: Ingeborg // Bachmann // Werke. Nur die mittlere Zeile ist ganz sichtbar, die obere und die untere sind jeweils angeschnitten. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Malina ist der einzige vollendete Roman der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, die bis dahin vor allem mit ihrer Lyrik bekannt geworden war. Der Roman erschien 1971 und wurde rasch zu ihrem berühmtesten Werk. Das liegt auch daran, dass sich sehr schnell zwei Interpretationsarten herausbildeten, die allerdings untereinander zusammen hängen und die, so weit ich sehe, bis heute dominieren.

Da ist die feministische Interpretation. Diese besteht durchaus zu Recht: In Malina erzählt eine namenlos bleibende Ich-Erzählerin davon, wie sie zwischen zwei Männern, Yvan und Malina, nachgerade aufgerieben wird. Beide Männer sind auf je unterschiedliche Art sehr dominant; die von Bachmann niedergeschriebenen Gespräche der beiden mit der Ich-Erzählerin stellen Musterbeispiele dar einer Kommunikation, in der die beiden Gesprächsteilnehmer:innen über sehr ungleich lange Spieße verfügen. Noch deutlicher zeigt sich das in den Schachpartien, die die Ich-Erzählerin mit Yvan spielt und die Malina bei seiner Heimkehr zu kommentieren pflegt, Partien, in denen die Erzählerin, offenbar Novizin in diesem Spiel, nur manchmal, und dann mit Müh und Not, mit sowie ostentativ-herablassender Hilfe bzw. Coaching von Yvan, ein Patt erreichen kann. Zum Schluss verschwindet die Ich-Erzählerin in einem Riss in der Mauer der Wohnung, die sie mit Malina teilt. Der letzte Abschnitt, der nur aus diesem Satz besteht, lautet:

Es war Mord.

Dieser Satz, zusammen mit einer Äußerung, die Bachmann einmal getan haben soll, es handle sich bei diesem Roman um eine Autobiografie,

aber nicht im herkömmlichen Sinn. Eine geistige, imaginäre Autobiographie. Diese monologische oder Nachtexistenz hat nichts mit der gewöhnlichen Autobiographie zu tun, mit der ein Lebenslauf und Geschichten von irgendwelchen Leuten erzählt werden.

Quelle: I. Bachmann zu Ria Endres, nach Wikipedia]

zusammen mit dieser Äußerung also führte das rasch zur Interpretation, Ingeborg Bachmann habe in Malina ihre Beziehung mit Max Frisch thematisiert, bzw. deren Scheitern, oder nochmals anders, sie habe darin gar mit Frisch abgerechnet, so wie der ihrer Meinung nach mit ihr in Mein Name sei Gantenbein abgerechnet habe. Nun konnten sich noch so spät wie letztes Jahr nicht alle Teile des Feuilletons enthalten, in dem ebenso schmutzigen wie unappetitlichen Rosenkrieg der Trennung der beiden Stellung zu beziehen; ähnlich waren es schon hier meist Partisan:innen Bachmanns, die den Roman auf diese Art ‚autobiografisch‘ lesen wollten. Auch der Hinweis auf Celan, den Bachmann in den Text verwoben haben soll, ist ein möglicher aber nicht notwendiger.

Nun wusste schon Goethe, dass im Grunde genommen alles, was eine:r schreibt, autobiografisch ist. Das kann insofern nicht anders sein, als letztlich alle aus ihrer Erfahrung, sei es direkter oder indirekter (z.B. aus Erzählungen anderer), schöpfen müssen. Aber wenn Malina eine so plumpe Abrechnung mit dem Ex-Geliebten wäre, müssten wir hier gar nicht viele Worte verlieren.

Tatsächlich ist das Ding sehr komplex gewoben. Zu komplex vielleicht; ich kann mich des Eindrucks nicht verwehren, dass Bachmann zu viel wollte. Der Roman besteht aus drei großen Kapiteln, deren jedes in einem ein wenig anderen Stil mit einem anderen Inhalt gehalten ist. Der relativ einfach gehaltenen Erzählung im ersten Kapitel von ihrer großen Liebe Yvan, der sie dem Leben zurück gegeben habe, folgt ein seltsames zweites, mit Traum-Erzählungen, die an Virginia Woolfs Bewusstseinsstrom erinnern, und ein drittes, in dem die ausweglose Situation der Ich-Erzählerin ebenso wie ihre Sprache mehr und mehr an die der Protagonisten Franz Kafkas erinnern. Die Traumerzählungen mit ihren verschiedenen Formen von Vergewaltigungen durch eine Vater genannte Figur, von der die Ich-Erzählerin selber dann sagt, dass nicht ihr leiblicher Vater gemeint sei, sondern der Mann an sich (der Nazi, der Soldat im Krieg, der Professor an der Uni etc. etc.) strapazieren die Psychoanalyse ebenfalls bis zum fast Unmöglichen. Und wenn wir eine Traumsequenz lesen, in der die Ich-Erzählerin sich plötzlich in einer Gaskammer des Dritten Reichs befindet, ist, wo sie ihr eigenes Schicksal mit dem der Juden identifiziert, grenzwertig genug.

Nun gut, in seiner surrealistisch-poststrukturalistischen Form ist der Roman offen für viele verschiedene Interpretationen, ohne dass nun die eine einleuchtender wäre als eine andere. Das mag Absicht der Autorin gewesen sein; mir liegt diese allzu offene und dann doch wieder einengende Art nicht.

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