Ruth Weiss: Miss Moore und die Saboteure von Jütland

Links und rechs zwei weiße Streifen, auf denen man Teile der Ausdrücke "Verlag Edition AV" (links) und "Kriminalroman" (rechts) lesen kann. In der Mitte die Farbfotografie eines Rasens, auf dem eine Axt liegt.- Ausschnitt aus dem Buchcover.

Miss Emily Moore hatte keineswegs vor, Dänemark zu besuchen. Sie wollte eigentlich überhaupt nicht mehr viel reisen, egal wohin. Am Vormittag hatte sie das Sir Jeremy Clifton, ihrem ehemaligen Chef und besten Freund, erklärt, der wissen wollte, was ihre Reisepläne für den Sommer seien. »Ich denke, wenn man mal jenseits der achtzig ist, verbringt man die Ferien am besten im Komfort der eigenen Wohnung. Ich werde in Porters Lodge hier in Little Benton on Sea bleiben, mein lieber Jerry. Ich bin genug in dieser Welt umhergetanzt, meinst du nicht?«

Doch dann kommt ein Anruf der dänischen Polizei. Eine Dr. Larsen erkundigt sich bei Emily Moore, ob sie etwas über den Verbleib der verschwundenen Tierärztin Kirsty Lovelace wisse, sie sei ja ihre Patentante. Das war Miss Moore nicht; sie war die Leiterin des College gewesen, als Lovelace dort studierte, und die junge Frau war eine ihrer Lieblingsstudentinnen gewesen. Nachdem sie dies der dänischen Polizistin auseinander gesetzt hatte, beschloss sie, dennoch nach Dänemark zu reisen. Es sollte für sie nicht nur eine Reise nach Dänemark werden sondern auch eine in ihre eigene Vergangenheit.

Denn das College hatte Miss Moore erst geleitet, nachdem sie aus dem britischen Geheimdienst ausgetreten war. Für den Geheimdienst hatte sie während des Zweiten Weltkriegs verschiedene verdeckte Operationen im Feindesland durchgeführt, unter anderem in Frankreich, später – wie wir in diesem Roman erfahren – auch in Dänemark. Die Handlung spielt im Jahr 2015; Miss Moore ist unterdessen nicht nur jenseits der achtzig, wie sie es formuliert hat, sondern bereits über neunzig. Das hält sie aber nicht davon ab (wenn sie denn schon in Dänemark ist), nebenbei auch auf der Insel Fünen (Fyn) die Stadt Odense zu besuchen und dort wiederum das vermutliche Geburtshaus von H. C. Andersen. (Während ihr englischer Kollege, den ihr Jerry nachgeschickt hatte und der etwa zwei Mal ihr Leben rettete, dafür keine Zeit hatte …)

Der vorliegende Roman ist der dritte einer dreiteiligen Reihe um die pensionierte Geheimdienstagentin. Die beiden Vorgänger, Miss Moores Geburtstag sowie Miss Moore und die Stolpersteine haben wir hier bereits vorgestellt, Der dritte Roman erscheint dieses Jahr zum ersten Mal überhaupt – die ganze Trilogie wurde vom AV-Verlag zur Feier des 100. Geburtstags von Ruth Weiss (wieder bzw. eben erstmals) aufgelegt.

Und das ist gut so. Denn die Romane der Journalistin Ruth Weiss zeichnen sich nicht nur durch eine solide und spannend gebaute Kriminalhandlung aus. Auch im dritten Buch führt sie uns in ihrer bewährten Art zurück in die (nicht so glorreiche) Vergangenheit der 1930er und 1940er. Sie tut das, indem sie zwischen die Kapitel mit der eigentlichen Kriminalhandlung Rückblicke schiebt – hier auf die Zeit des Zweiten Weltkriegs, genauer: auf die deutsche Besetzung von Dänemark. Nicht alle Däninnen und Dänen akzeptierten die Nazis ohne weiteres; es gab passiven wie aktiven Widerstand. Eine solche aktive Widerstandsgruppe waren die Saboteure von Jütland, die sich selber The Boys of King George VI nannten. (Diese Gruppe, nebenbei, gab es wirklich, allerdings hieß sie Churchill-Klubben, wie uns ein kurzes Nachwort informiert.)

Ganz unauffällig gibt uns Ruth Weiss auch in diesem Roman eine veritable Geschichtsstunde. Eine, der auch dieses Mal die große Weltgeschichte nur als Folie dient für die Geschichte, die Leiden und Taten, der ‚gewöhnlichen‘ Menschen. Dieses Mal ist auch Miss Moore mehr involviert als die beiden ersten Male, denn es zeigt sich, dass das Schicksal von Kirsty Lovelace eng verbunden ist mit der Geschichte jener jungen Leute, die damals in Jütland Einrichtungen der Nazis sabotierten, The Boys of King George VI. Die Geschichte jener Boys ist wiederum eng mit der unserer Detektivin verbunden; denn es war Emily Moore, die als Geheimagentin zu dieser Gruppe abkommandiert war, um sie noch besser zu schulen in ihrem ‚Job‘. Sie kannte sie gut, und nun, Jahrzehnte später, erfährt sie, was unterdessen aus ihnen geworden ist, und in welchem Zusammenhang mit ihnen ihre ehemalige Lieblingsstudentin Kirsty Lovelace steht.

Es ist vielleicht deswegen, dass ich den dritten und letzten Roman der Reihe um Miss Moore am besten mag und für den besten halte – steigt doch der ‚personal interest‘ dadurch beträchtlich. Jedenfalls finde ich es schade, dass der Roman erst heute erscheinen konnte, bin aber natürlich froh, dass er überhaupt nun erschienen ist. (Und ja: Im Geheimen träume ich davon, dass Ruth Weiss gerade an einem vierten Roman schreibt, dieses Mal mit einer 100-jährigen Ermittlerin …)


Ruth Weiss: Miss Moore und die Saboteure von Jütland. Bodenburg: Verlag Edition AV, 2024.

Wir danken dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 11

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