Meta Klopstock geborene Moller: Briefwechsel mit Klopstock, ihren Verwandten und Freunden. Dritter Band ~ Erläuterungen

Nahaufnahme vom olivgrünen Leinengewebe des Bucheinbands.

Wie alle ‚zünftigen‘ Ausgaben alter Briefe weist auch die kleine Ausgabe der Briefe von Meta Klopstock einen separaten Band mit Erläuterungen auf. Und der hat es durchaus in sich. Damit meine ich weniger die Einführung des Herausgebers Hermann Tiemann oder die eigentlichen Erläuterungen, obwohl auch an denen nichts auszusetzen ist. Wir erfahren in der Einführung vor allem ein wenig mehr über die Textgeschichte und auch über die Editionsprinzipien Tiemanns. Er hat, wie er hier zugibt, nicht alle Briefe vollständig bzw. so abgedruckt, wie er sie vorgefunden hat. Vor allem im zweiten Band, dem der ‚Schwesterbriefe‘, hat er so manches weggelassen, das nur innerfamiliäre Details betraf. Die eigentlichen Erläuterungen sind ausführlich und geben sogar die aktuelle Signatur an, die den Briefen in der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek gegeben wurde, wo die Dokumente heute noch liegen. Auch die Personenerläuterungen sind, wo ich sie nachgeprüft habe, korrekt.

Doch der eigentliche Höhepunkt des vorliegenden Bandes ist der auf dem Vorsatzblatt mit nordischem Understatement als Mit einem Beitrag von Erich Trunz angekündigte Essay des ehemaligen Kieler Germanisten. Ich gebe zu, dass ich mit großer Skepsis an die Lektüre heranging. Trunz hat sich im Dritten Reich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, sich sogar im Rahmen seiner Tätigkeiten sehr aktiv eingebracht (auch wenn das Internationale Germanistenlexikon 1800-1950 ungefähr seit 1942/43 gewisse Absetzungsbewegungen ausmacht). Später allerdings erschien unter seiner Ägide die erste Hamburger Ausgabe der Werke Goethes, wie er überhaupt als Spezialist für die Barock-Zeit und Goethe galt. Für Arbeiten zur Zeit unmittelbar vor Goethe aber, in die Meta Klopstocks Leben fällt, ist er weniger bekannt.

Nun, meine Skepsis sollte sich nicht bestätigt finden. Ja, er spricht von Meta Klopstocks Zeit als vom Barock; den Begriff ‚Rokoko‘, den andere für sie verwendeten, scheint er nicht zu kennen oder nicht anzuerkennen. Sein Essay ist vielleicht auch nicht literaturwissenschaftlich im strengsten Sinn. Aber er vermag es, mit Meta Moller und das 18. Jahrhundert (so der Titel seines Textes) literaturgeschichtliche Quellen und Perspektiven aufzuzeigen – und dies in einer wohlgeformten, flüssigen Sprache, die eine Lektüre schon an sich zum Genuss macht. Auch nimmt er, anders als ich befürchtet hatte (ich meine: der Text erschien 1956 → vollster BRD-Mief, der die Frau zu den drei ‚K‘ verurteilte – Kinder, Küche, Kirche) Meta Moller wirklich ernst, als Schriftstellerin und schildert sie als gleichwertige Partnerin Klopstocks. Er gibt auch zu (was mir, worauf ich stolz bin, schon unabhängig von ihm aufgefallen ist), dass Klopstock in dem Teil der Ausgabe seiner Werke, die er Metas Texten überlassen hat, viel Spontaneität aus ihren Gedichten und Briefen heraus und dafür mehr Christliches-Demütiges hinein gebügelt hat, als vielleicht vorhanden war. Ebenso deutet Trunz ganz leise an, dass Klopstock den flüssig plaudernden und doch präzisen Ton Metas in seinen eigenen Briefen nicht erreicht hat. Meta war eine äußerst fromme Person, aber das hinderte sie nicht daran, das Leben und die Liebe zu ihrem Mann in vollen Zügen zu genießen.

Metas briefliche Bekanntschaft mit Richardson – einem damals hochgeschätzten Meister des Briefromans – bringt Trunz gar so weit, die zwei Bände von Metas Briefen als eigentlichen Briefroman zu bezeichnen. Das hat durchaus seine Berechtigung, auch wenn ich das Caveat setzen möchte, dass das eventuell nicht nur Metas Verdienst, sondern auch den oben genannten Eingriffen des Herausgebers Hermann Tiemann geschuldet sein möchte.

Nicht zuletzt aber spinnt Trunz in seinem kurzen Essay Fäden zu verschiedenen anderen Briefwechseln aus ihrer Zeit (dem 18. Jahrhundert), meist, um zu beweisen, wie sehr Meta sich bereits von deren Konventionen entfernt hatte, zum Beispiel im Vergleich zum Briefwechsel zwischen Johann Christoph und Luise Adelgunde Victorie Gottsched – der andererseits ebenfalls zwei Intellektuelle auf gleicher Höhe zeigte; noch einmal anders der Briefwechsel zwischen Lessing und Eva König. Caroline und Johann Gottfried Herder, sowie Schiller und Wilhelm von Humboldt mit ihren Verlobten bzw. Gattinnen sind dann Beispiele einer Entwicklung hin zu freierem Briefstil, auf die Metas Briefe schon hindeuten. Ihre Sprache wiederum deutet, zusammen mit ihrer Frömmigkeit, voraus auf solche wie Jean Paul, Johann Georg Hamann oder Novalis – die natürlich allesamt nichts von ihrem wirklichen Briefstil wissen konnten, denn Metas Briefwechsel war da noch in den Händen Klopstocks bzw. seiner Erben. Aber ihre Art zu schreiben lag in der Zeit, und sie hatte sie bereits zur Vollendung gebracht. Ob sie den kurz vor ihrer Zeit, aber ebenfalls in Hamburg lebenden Brockes als Vorläufer gekannt hat, bleibt auch für Trunz offen.

Ein Spezialfall bei Trunz sind die Briefe der Catharina Elisabeth Goethe an ihren Sohn Johann Wolfgang. Keine Liebesbriefe natürlich, aber ebenfalls welche, in der der weibliche Part voller Spontaneität agiert. Um mich rasch von Trunz zu entfernen: Ein Zufall? Catharina Elisabeth Goethe wie Meta Klopstock sind in vermögender Familie und in großen Kaufmannsstädten aufgewachsen, bei aller Dezenz von klein auf an ein aufwendiges und international gefärbtes Leben gewöhnt. Trunz, um wieder auf seinen Essay zurück zu kommen, erwähnt auch, dass die Diotima Friedrich Hölderlins, Suzette Gontard, aus ähnlichen Verhältnissen stammte wie Meta – sie stammte ebenfalls aus einer (natürlich mit Metas Familie bekannten) Hamburger Kaufmannsfamilie und war sich ein liberales Leben gewohnt.

Ich könnte noch vieles aus Trunz’ Essay vorbringen. Aber fassen wir ganz einfach zusammen: Band 3 von Meta Klopstocks Briefwechsel stellt einen gelungenen Abschluss einer gelungenen Briefausgabe dar.

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