Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke / Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn

Zwei hellblaue Streifen links und rechts, in der Mitte ein Ausschnitt aus aus dem fürs Buchcover verwendeten Ölgemälde von Johann Michael Schwabeda nach Georg Oswald May, 1780, heute im Gleimhaus Halberstadt.

Betrachtet man die deutsche Literatur in der Epoche unmittelbar bevor Goethe und seine Freunde die literarische Landschaft in Deutschland vollständig und endgültig umpflügten, so wird man auch immer wieder auf den Namen Johann Peter Uz stoßen. Auf den ersten Blick war er einer der recht vielen Anakreontiker, die zu jener Zeit – will sagen: im Rokoko, von ca. 1730 bis ca. 1780 – ihr Unwesen trieben. Auf den zweiten Blick ist er einer der wenigen Bürgerlichen, der sich der anakreontischen Dichtung widmete, die ansonsten eher als Privileg des Adels galt.

Seine anakreontischen Lieder können wir uns heute mehr oder weniger schenken. Sie sind formal bzw. sprachlich besser als die des Ewald Christian von Kleist, kommen aber nirgends an die Geschmeidigkeit des Friedrich von Hagedorn heran. Er versuchte, als Anakreontiker den Lebensgenuss zu thematisieren (dazu gleich unten), konnte sich aber dennoch eines Lobs des christlichen Gottes nicht ganz enthalten (auch dazu gleich unten). Selbst Ausflüge in die zeitgenössische Politik unterliefen ihm. Obwohl er eigentlich Deutschland als Ganzes (will sagen: als poetische Idee, nicht als Nationalstaat) im Blick hatte, lieferte er doch einen Lobgesang auf Friedrich den Großen und sympathisierte in einem anderen Gedicht im Rahmen des Siebenjährigen Kriegs ganz offen mit Preußen gegen Habsburg-Österreich. Das mag auch reine Vorsicht gewesen sein; die Stadt Ansbach, in der er geboren war und unterdessen wieder im Staatsdienst lebte, war eng mit den Hohenzollern verbunden. Sein lyrischer Nachruf auf Kleist war hingegen Ausdruck echter Freundschaft, echter Trauer.

Uz hörte schon relativ früh in seinem Leben mit Dichten auf. Einerseits war er wohl durch die Karriere, die er nach langem Warten doch noch am Kaiserlichen Landgericht des Burggraftums Nürnberg machte, zu sehr eingespannt, andererseits mochte er spüren, dass sich der anakreontische Teil seiner Dichtung überlebt hatte und er auch ‚ausgeschossen‘ war, wie wir hierzulande sagen. Will sagen: Ihm fehlten neue Ideen. Anakreontische Dichtung mochte er auch als für einen nunmehrigen Gerichtspräsidenten allzu gefährlich oder unpassend sein gelassen haben. Die paar Kirchenlieder, die er dann noch fürs lokale Gesangbuch schrieb oder überarbeitete, können wir getrost vergessen.

Aber: Wir haben bisher zwei Blicke auf Uz geworfen. Auf einen dritten Blick hin enthüllt sich, dass hinter, neben oder nach dem Anakreontiker noch einer stand – nämlich ein philosophisch-aufklärerischer Kopf.

Den finden wir vor allem in seiner Lehrdichtung. Hier wiederum ist primär sein Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn zu nennen. 1760 entstanden, orientiert er sich am 25 Jahre älteren Essay on Man von Alexander Pope, wie schon die Verwendung des Wortes Versuch klar aufzeigt. In seiner Vorrede gibt Uz zwar einen heute unbekannten spanischen Autor an, Sarasa mit einem Werk namens Ars semper gaudendi als Anstoß an. So oder so: Der aufklärerische Impetus ist durchaus vorhanden. Das Ganze ist in vier so genannten Briefen (die aber wie Popes Essay Versform aufweisen) organisiert. Er kommt im ersten auf Epikur zu sprechen, da auch er, Uz, in gewisser Weise hier die Wollust in den Vordergrund stelle. Vielleicht auf Grund der entsprechenden Passagen in Diogenes Laertius traut er sich, die damals ansonsten übliche, auf die unumstrittenen Autoritäten Cicero und Seneca zurück gehende Interpretation zu verwerfen, wonach Epikur damit zügellose Eskapaden in Fressen, Saufen und Huren gemeint habe. Er werde, so Uz, in seinem Versuch Epikurs Philosophie darstellen, als ob der alte griechische Philosoph damit ein Glück gemeint habe, das durch mäßiges Leben in jeder Hinsicht zu erreichen sei: weder zu viel noch zu wenig Wein, weder zu viel noch zu wenig Askese. (Wir sind bloß unglückselig, weil wir uns nicht zu erfreuen wissen.) Vorsichtshalber schreibt Uz noch dazu, dass er sich diese Darstellung als Dichter gestatte – so ganz traut er sich offenbar nicht, gegen die überkommene Meinung anzutreten. Allerdings entkommt Uz im Verlauf des Versuchs der physikotheologischen Falle seiner Zeit nicht. Im dritten Brief bindet er die Fröhlichkeit zurück an den christlichen Gott, denn: Diese Regierung kann aus seinen und der Geschöpfe Eigenschaften bewiesen werden. Später wird er die Offenbarung als Mittel erwähnen, uns der Existenz Gottes zu versichern und dafür – Descartes als Zeugen herbei zitieren. Hier ging Uz dann doch das letzte Quäntchen Mut ab.

Interessanter als der Versuch ist aber noch, wie ich finde, das fünf Jahre früher (1755) entstandene Gedicht Theodicee. Wer nun bei diesem Titel an Leibniz denkt, liegt richtig. Tatsächlich versucht Uz hier, dessen Theodizee lyrisch darzustellen. Die beste aller möglichen Welten: Wie kam Gott (den Uz nicht in Frage stellt) dazu, gerade diese, unsere, Welt zu wählen bei der Schöpfung? Die Strophe, in dem Uz dies darstellt, stellt einen seiner besten Verse dar:

Die Risse liegen aufgeschlagen,
Die, als die Gottheit schuf, vor ihrem Auge lagen:
Das Reich des Möglichen steigt aus gewohnter Nacht,
Die Welt verändert sich mit immer neuer Pracht,
Nach tausend lockenden Entwürfen,
Die eines Winks zu schnellem Seyn bedürfen.

Doch:

Der Schöpfer wählt sie nicht! Er wählet unsre Welt,
Der Ungeheuer Sitz, die, Helden beygestellt,
In ewigen Geschichten strahlen,
Der Menschheit Schmach, das Werkzeug ihrer Qualen.

Uz geht im Folgenden nicht mehr darauf ein, aber in diesen Versen hier hat er eine, je nach Standpunkt, interessante oder seltsame Rechtfertigung für die Übel dieser Welt entwickelt: Es sind diese Übel, diese Ungeheuer, und deren Bekämpfung, die den Stoff liefern für unsterbliche Geschichten – anders gesagt: für die Kunst.

Im weiteren Verlauf des Gedichts hat sich das lyrische Ich gar empor geschwungen, verlässt die Erde und blickt zunächst einmal auf diese als Ganzes. Dabei kommt er zum Schluss, dass Gott alle Geschöpfe liebe und alle ihre Existenzberechtigung haben. Noch weiter im All umher schauend, sieht er ein Heer bewohnter Sterne und befindet nun von seinem Schöpfer Folgendes:

Er sieht, er sieht allein, wie Sonn an Sonne hängt,
und wie zum Wohl oft ganzer Welten
ein Uebel dient, das wir im Staube schelten.

Dieser Schwung in astronomische Sphären geht Uz dann wieder verloren. Das lyrische Ich kehrt zurück auf die Erde und wird im Weiteren die Übel dieser Welt vor allem auch damit rechtfertigen, dass sie conditio sine qua non des menschlichen Wesens sind. Der Mensch ist in seiner ‚Grundausstattung‘ bereits mit dem Übel infiziert. Er braucht es, am sich daran bessern zu können …

Uz’ Theodizee kann so wenig funktionieren wie die Leibniz’ funktionieren konnte.

Philosophisch scheitert Uz. Literaturgeschichtlich allerdings hatte er Erfolg mit seiner Theodicee. Sie wurde von niemand geringerem gelesen als vom ganz jungen Schiller, noch an der Hohen Karlsschule, und war das Samenkorn, aus dem später die berühmte Gedankenlyrik Schillers entstehen würde. Uz sollte das freilich nicht mehr erleben.

Meine Ausgabe, erschienen 2014 in der Sammlung Hofenberg, folgt im Übrigen einem Nachdruck des Erstdrucks Sämtliche poetische Werke, den Uz 1760 in zwei Bänden herausgab. Das war in etwa auch die Zeit, in der er die dichterische Produktion aufgegeben hatte. Diese Werkausgabe, die ich in ihrer Anordnung für chronologisch halte, zeigt auch sehr schön, wie Uz von einem den epikureischen Genuss preisenden Anakreontiker zu einem philosophisch-aufklärerischen Dichter wurde, nur um zum Schluss sich immer mehr in die Arme eines christlichen Gottes zu werfen. Man lese also vor allem seine frühen Sachen, seine Theodicee und den Versuch über die Kunst stets fröhlich zu seyn (und auch da nur die ersten beiden Briefe), wenn man sich auf die guten Teile seines Werks konzentrieren will.

Ansonsten hoffe ich klar gemacht zu haben, dass Uz vor allem in literaturgeschichtlicher Hinsicht zu interessieren vermag. Er wurde allerdings schon zu meiner Zeit im Studium sträflich vernachlässigt – was er nun auch wieder nicht verdient hat.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 11

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