Richard Katz: Drei Gesichter Luzifers. Lärm • Maschine • Geschäft

Links und rechts ein brauner Balken auf hellbraunem Hintergrund, dazwischen steht rot in "alter deutscher Schrift" (die nicht alt und nicht deutsch ist, sondern im Fachjargon einfach "gebrochene Schriftart" heißt): Gesichter Luzifers. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Janus hieß bei den alten Römern der Gott des Anfangs und des Endes. Er wurde deshalb auch der Namenspatron des Monats Januar, als dieser den März vom Jahresbeginn verdrängte. Üblicherweise wird dieser Gott mit zwei Gesichtern dargestellt – eines blickt nach vorne, das andere nach hinten, eines für die Vorschau, das andere für den Rückblick. Auf beides möchten wir hier allerdings verzichten, aber immerhin haben wir einen Text gefunden, in der ein Gott (bzw. ein einem Gott ähnliches Wesen) sogar drei Gesichter aufweist: Die Drei Gesichter Luzifers von Richard Katz.

Nun mag ich die Reiseberichte von Richard Katz sehr. Er schafft es, mit feiner Ironie (auch sich selber gegenüber) über seine Fahrten zu berichten, ohne die Leute bloßzustellen. Wenn er reist, interessieren ihn weniger die berühmten Denkmäler vor Ort, mehr die Leute und auch da wieder am meisten die ‚kleinen‘ Leute. Auch die Politik lässt er außen vor. So hat er es geschafft, Reiseberichte zu verfassen, die auch heute noch gelesen werden können, weil es um Personen geht, nicht um Dinge, nicht um Ideologien.

Leider aber packte ihn irgendwann der Ehrgeiz, und er wollte mehr sein als ein Reiseschriftsteller. Er schrieb einen gesellschaftskritischen Roman, einen Kriminalroman – und vor allem: Drei Gesichter Luzifers. Dieses Buch solle, so schreibt er in seinem Vorwort, kein philosophisches sein, allenfalls passe, bei einiger Hoffart der Begriff weltanschaulich dafür. Er hat damit nicht Unrecht, dann tatsächlich gibt er hier seine Weltanschauung preis.

Schon der Titel verrät, worum es hier geht: Katz liefert eine Kritik ab an gewissen Entwicklungen seiner Zeit. Dazu muss man wissen, dass das Buch in der Zeit der Großen Depression Ende der 1920er geschrieben wurde – der bei Katz immer latent vorhandene Pessimismus in Bezug auf die Entwicklung des Menschen wurde durch dieses Erlebnis eindeutig verstärkt. Mit Lärm • Maschine • Geschäft kritisiert er die drei Hauptauswirkungen des Kapitalismus und der damit verbundenen Industrialisierung. Wo seine Reiseberichte zeitlos sind, ist dieses Buch eindeutig zeitgebunden.

Nachdem er ungefähr das halbe Buch mit allgemeinen Bemerkungen zu Luzifer gefüllt hat, kommt er in der zweiten Hälfte auf die spezifischen Resultate des Wirkens von seinem Luzifer (der – man hat es sicher schon geahnt – mit mit dem Luzifer zum Beispiel eines Milton nur wenig gemeinsam hat). Beim Thema „Lärm“ kann ich ihm durchaus zustimmen, halte es aber für ein relativ unwichtiges Nebenprodukt der Industrialisierung. (Wobei wir im 21. Jahrhundert die gesundheitsschädlichen Auswirkungen des Lärms besser kennen und ihn im Vergleich zur Zeit, als Katz sein Buch schrieb, beträchtlich eingegrenzt haben und weiter eingrenzen.) An Stelle des Begriffs Maschine hätte Katz ebenso gut „Geschwindigkeit“ setzen können, denn es geht ihm darin vor allem darum, dass die Maschinen nicht nur in den Fabriken ein immer höheres Tempo anschlagen und so den Menschen überfordern, sondern auch im Alltag. Sein Lieblingsbeispiel ist das Automobil und die schnelle Fortbewegung, die es zwar erlaubt, die aber dazu führt, dass der Fahrer seine Umgebung nicht mehr sehen kann – was dem Reiseschriftsteller und genauen Beobachter Katz ein Graus ist. Selbst die Schreibmaschine, mit der zu jener Zeit die ersten Reiseschriftsteller:innen unterwegs waren (z.B. Alma M. Karlin), will er nicht haben. Nur den elektrischen Herd akzeptiert er als Erleichterung des Alltags.

Sein liebstes ‚bête noire‘ sind die USA, in denen er alle Tendenzen, die er kritisiert, am weitesten gebracht findet. Doch auch die UdSSR, in deren Fünfjahresplänen er auch nur eine andere Form des ‚Schneller-Höher-Weiter“ und eine Zahlenverliebtheit unter Vernachlässigung der menschlichen Aspekte findet, mag er nicht.

Katz gibt an, nur die Probleme aufzeigen zu wollen, selber aber keine Lösung zu haben. Das stimmt aber nur halb. Wenn wir sehen, welche Aspekte oder Arten menschlichen Daseins er lobt, finden wir durchaus eine Art Lösung. Das heißt: Eigentlich ist sie gar keine, und das scheint Katz auch gewusst zu haben. Aber das Ideal, das bei ihm immer wieder durchschimmert, ist bäuerlich-handwerklicher Kleinstaat, womöglich autark (denn dem Handel misstraut Katz ebenfalls), mit nur kurzen Warenwegen.

Katz’ schwächstes Buch. Keine Leseempfehlung, außer man sei an weltanschaulichen Rundumschlägen ohne gesicherte Basis interessiert. Heute ist dieses Buch sowieso nur noch antiquarisch zu erhalten.

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