Stanley M. Burstein: Antike global

Ausschnitt aus der Ptolemäischen Weltkarte basierend auf Beschreibungen und Koordinaten von Claudius Ptolemäus, Holzstich mit späterer Kolorierung, 1545. Wie für das Buchcover verwendet. Ungefähr zwei Fünftel des Bildes auf der linken Seite sind in den Originalfarben (beige für die feste Erde, blau für die Ozeane), über den Rest wurde eine durchsichtige blaue Maske gezogen, wie eine Art Sonnenbrille. Man kann auf dem Land noch lesen, dass der Ausschnitt "India" vorstellen soll. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Bursteins Buch ist ein Beispiel dafür, dass zumindest zum Schluss sogar die einstmals grundsolide Wissenschaftliche Buchgesellschaft weniger Brauchbares im Angebot hatte. Denn das Buch stammt bereits aus der Zeit, als eine neue Geschäftsführung versuchte, die WBG (die jetzt auch nicht mehr WBG hieß sondern WBG-Wissenverbindet) von einem Fachbuchverlag zu einem Sachbuchverlag umzupolen – sprich: populärwissenschaftliche Bücher anzubieten. Dagegen hätte in meinen Augen nichts gesprochen, wenn nicht zugleich der ganze Fachbuchteil derart vernachlässigt und geschrumpft worden wäre, dass jedenfalls ich kaum mehr lesens- geschweige denn kaufenswerte Bücher fand. Schade um die WBG ist es aber dennoch.

Aber lassen wir das leidige Thema ruhen und gehen über zum zu besprechenden Buch, bzw. zunächst zu seinem Autor: Stanley M. Burstein, Jahrgang 1941, war bis zu seiner Emeritierung Geschichtsprofessor an der California State University, Los Angeles. In dieser Funktion hat er natürlich einiges an Akademischem geschrieben. Unter seinen Publikationen finden wir auch etwelche so genannte Text books für middle-grade, d.h.: Schulbücher für 8- bis 12-Jährige. Das vorliegende Buch ist zwar kein solches, aber weit davon entfernt ist es leider auch nicht. Ursprünglich 2017 bei der Oxford University Press in der Reihe New Oxford World History erschienen (unter dem Titel, der bei der deutschen Ausgabe als Untertitel fungiert), war es wohl tatsächlich als massentaugliches Sachbuch gedacht.

Bevor ich anfing ein bisschen zu recherchieren (über Burstein findet sich im Netz blutwenig), dachte ich allerdings zunächst wirklich, es handle sich hier um ein weiteres Text book des Professors. Da ich die Reihe der Oxford University Press ansonsten nicht kenne, kann ich nicht beurteilen, ob alle Bücher so geraten sind. Die von mir gesehenen Titel versprechen anderes.

Tatsache ist: Das Buch hier ist trocken. Sehr trocken. Staubtrocken. Es liefert im Grunde genommen nicht viel mehr als eine Schilderung, wann welches Reich (bzw. welcher Herrscher – Frauen kommen nur wenige vor) welches andere Reich in welcher Schlacht besiegt hat, um nunmehr als Regional- oder gar Weltmacht für die nächsten paar Jahre oder Jahrhunderte zu fungieren. Anders formuliert: Wer wann wo geherrscht hat. Es ist eine Form der Geschichtsschreibung, wie ich sie längst überholt glaubte. Ökonomische oder kulturelle Fakten werden zwar erwähnt und Klimawandel lautet jede zweite Erklärung für ansonsten schwer erklärbare Umwälzungen – vor allem gegen Ende des Buchs (das auch dem Ende der vorgestellten Periode entspricht). Sicher, man weiß aus dem 3. Jahrhundert u.Z. mehr auch Alltägliches als aus dem 10. Jahrhundert v.u.Z. Gerade Raimund Schulz, dem Burstein in einem speziell für diese Ausgabe geschriebenen Vorwort – zusammen mit Kai Brodersen – dankt für ihr Engagement dafür, dass das Buch bei der WBG erscheinen konnte … gerade Raimund Schulz also hat in seinem – auch als Sachbuch konzipierten! – Buch Die Antike und das Meer gezeigt, was heute inhaltlich und stilistisch möglich ist.

Wenn wir noch dazu rechnen, dass die Gestaltung des Buchs auch nicht gerade gelungen ist … So werden die Sprünge von einer Kultur zu einer anderen zwar durch einen Abschnitt markiert. Da der aber ohne Überschrift unmittelbar nach dem vorhergehenden gesetzt wurde, ist man manchmal überrascht, wenn man irgendwann mitten im Abschnitt merkt, dass der Autor plötzlich in eine ganz andere Gegend gesprungen ist. Mit grobem Raster reproduzierte Schwarz-weiß-Fotografien und unübersichtliche Karten helfen bei der Lektüre auch nicht wirklich. An einigen Stellen wirkt dazu die Übersetzung etwas ungelenk, da englische Formulierungen 1:1 ins Deutsche übertragen wurden, was vor allem bei Relativkonstruktionen auffällt.

Zum Schluss noch ein kurzer Abriss des Inhalts: Der Untertitel bzw. der englische Haupttitel, Die Welt von 1000 v. Chr. bis 300 n. Chr., definiert die besprochene Periode – ein Zeitraum, an den sich Burstein denn auch pflichtbewusst hält. Das Globale der Antike, das der deutsche Titel suggeriert, die Welt des Untertitels, ist dagegen nur cum grano salis zu finden. Es sind im Grunde genommen nur drei Kulturkreise, mit denen sich Burstein näher beschäftigt: der chinesische, der indisch-persisch-mesopotamische und der mediterrane. Afrika wird gerade noch ein paar Mal erwähnt. Meist bleibt der Blick des Autors aber nördlich der Sahara hängen, so dass diese Abschnitte als Anhang zu Ägypten wirken, es oft auch sind. Ein einziges Mal, wenn ich mich richtig erinnere, wirft Burstein einen Blick auf die großen Reiche südlich der Sahara. Ähnliches gilt für Meso-Amerika: Die dortigen Reiche zur Zeit der europäischen Antike werden auch nur ein einziges Mal, und dazu auch nur kurz, erwähnt. Südasien ist für Burstein identisch mit dem chinesischen Kaiserreich. Der malaiische Archipel und Australien fehlen gänzlich. Zumindester ersteren hätte ich einer Erwähnung wert gefunden, auch wenn er erst mit dem globalen Siegeszug des Islam so richtig in den Fokus der Weltgeschichte gerät.

Wenn Du, geneigtes Publikum hinzu nimmst, dass vor allem China für mein Empfinden sehr oberflächlich behandelt wird, wirst Du vielleicht meine Enttäuschung verstehen. Jedenfalls würde ich das Buch höchstens Leuten empfehlen, die eine mehr oder weniger tabellarische Übersicht suchen über Kriege, Herrscher und Reiche jener Epoche, die wir in Europa als ‚Antike‘ bezeichnen.


Stanley M. Burstein: Antike global. Die Welt von 1000 v. Chr. bis 300 n. Chr. Übersetzt von Kai Brodersen. Darmstadt: wbg THEISS, 2022.

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